Donnerstag, Februar 14, 2013

Polizei räumt Wohnung wie Diebe hinterrücks übern Hof

Pressemitteilung zur Räumung der Familie Gülbol am 14.2.13 in Kreuzberg


Anlässlich der Proteste des Bündnisses Zwangsräumung Verhindern gegen die Räumung der Wohnung von Familie Gülbol führten der arbeitskreis kritischer jurist_innenberlin und das Grundrechtekomitee heute eine Beobachtung des begleitenden Polizeieinsatzes durch. Es waren 15 Beobachter_innen zwischen 6:00 und 11:30 Uhr in Kreuzberg unterwegs. Die Wohnung der Familie Gülbol wurde im Verlauf des Morgens geräumt. Es kam zu zahlreichen Festnahmen, Einsatz körperlicher Gewalt und Pfefferspray gegen die ca. 1000 Demonstrierenden.



Proteste um die Räumung
Es fanden vielfältige Proteste in Sicht und Hörweite der Lausitzerstraße 8 statt. 
Die Polizei errichtete gegen 6:00 Uhr Absperrungen vor dem Haus sowie an beiden Enden der Lausitzerstraße und störte so bereits unverhältnismäßig eine Formierung des Protests der Räumungsgegener_innen. Anstatt sich öffentlich der friedlichen Sitzblockade vor dem Haus zu stellen, versuchte die Gerichtsvollzieherin mit der Polizei den Protest ins Leere laufen zu lassen, indem sie die Vollstreckung der Räumung über Hinterhöfe und durch Zäune vollzog. So entstand insgesamt der Eindruck, dass es nicht um die Zurschaustellung von Rechtsstaatlichkeit ging, sondern darum, dass durch besondere Kreativität die Räumung dem Blick der Öffentlichkeit entzogen werden sollte. Formale Verfahren haben zumindest ihrem vorgesehenen Ablauf zu folgen, um Transparenz und Berechenbarkeit sicherzustellen. Das heißt: Eine Räumung, die für 9:00 Uhr angekündigt ist, darf nicht um 6:00 Uhr morgens beginnen; die Gerichtsvollzieherin hat an der Vordertür zu klingeln und nicht über den Hinterhof einzubrechen. Es scheint zudem absurd, dass das fragwürdige Einzelinteresse des Eigentümers Andre Franell den Einsatz von 400 Polizist_innen inklusive Hubschrauber und Fahrzeugpark rechtfertigen soll. Aufwand und Ziel der Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis.

Es kam im Verlauf der Räumung zu häufigem Einsatz körperlicher Gewalt und weiträumigem, unangekündigten Einsatz von Pfefferspray in der Wiener Straße. Dabei war permanentes Abfilmen aller Proteste ohne erkennbaren Anlass bzw. Gefahrensituation besonders auffällig. So wurden selbst Anwohner_innen beim Verteilen von Gummibärchen an die Protestierenden genaustens aufgezeichnet. Viele Polizist_innen waren in der Wiener Str. zivil unterwegs. Das Anti- Konflikt- Team in der Lausitzer Straße fiel durch Schubsen, Pöbeleien und Beleidigungen gegenüber Demonstrierenden auf. Vor diesem Hintergrund ist eine weitreichende Kennzeichnung auch auf der Vorderseite der Uniformen unerlässlich.


Spontane Demonstration

Als Reaktion auf die unvermittelte Räumung bildete sich gegen 9:40 Uhr ein spontaner Demonstrationszug vom Wohnort der Familie Gülbol in Richtung Kottbusser Tor. Dabei kam es von Beginn an zu brutalen Festnahmen. Die Demonstration wurde von der Polizei zu keinem Zeitpunkt als Versammlung respektiert. Immer wieder wurden einzelne Teile des Zugs eingekesselt und die Demonstration durch Polizeizüge zerteilt. Besonders widersprüchlich ist vor dem Hintergrund der durchgehenden Missachtung der Versammlungsfreiheit eine nach unserem Eindruck exzessive Verfolgung von versammlungsrechtlichen Verstößen. Des weiteren kam es zu massivem und häufigen Einsatz von Pfefferspray, sowie körperlicher Gewalt in Form von Tritten und Schlägen. Vereinzelt wurden auch Schlagstöcke eingesetzt. Trotzdem hat sich die Demonstration immer wieder erfolgreich eigene Wege jenseits der Polizeiabsperrungen gesucht. Gegen 11:30 Uhr wurde die Demonstration am Hermannplatz aufgelöst.

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6 Comments:

Anonymous Anonym said...

Hier wurde also der kreative Protest mit einer kreativen Polizeitaktik umgangen. Es wurde nicht der Hauseingang Lausitzer Str. 8 gewaltsam geräumt, sondern ohne Sachbeschädigung §303 StGB das Haus betreten, um auf die Ankunft der Gerichtsvollzieherin zu warten.
Wären die Polizeibeamten vor der Wiener Str. 13 (die waren dort die ersten) nicht bedrängt worden, hätte es gar keine Gewalt von Seiten der Polizei gegeben. Erst der Versuch der Demonstranten, die Polizisten vor der Wiener Str. 13 gewaltsam zu "räumen", führte doch zum "Widerstand" der Polizei!

Ich finde, dass Spiel endete gestern 1:0 für die Polizei.

Am Samstag ist das Rückspiel :-)

2/15/2013 7:38 AM  
Blogger alex said...

mit wohnen spielt man nicht

2/15/2013 2:11 PM  
Anonymous Anonym said...

man muss halt auch mal verlieren können ...

2/15/2013 8:27 PM  
Anonymous Anonym said...

@anonym1: Das Haus wurde *nicht* "ohne Sachbeschädigung betreten" vielmehr wurde eine Haustür eingerammt und Zäune auf dem Weg von der Wienerstr. 13 zur Lausitzerstr. 8 zerschnitten.

2/20/2013 2:13 PM  
Anonymous Anonym said...

Hmm, komische Kommentare... naja. Ich finde es bemerkenswert, wieweit Zwangsräumungen auch innerhalb Berlins variieren. Ich bin mal zufällig bei einer Räumung in Frohnau vorbei gekommen. Auch wenn die Situation natürlich grundsätzlich angespannt ist, war doch das Verhalten der Räumenden durchaus anders. Es wurde zumindest ein Minimum an Würde gelassen... Außerdem finde ich es erschreckend wieweit inzwischen Gesetze von dem abweichen, was dann in der Praxis wirklich angewendet wird.

2/20/2013 8:56 PM  
Anonymous Anonym said...

Anmerkung zum Kommentar vom 20.02.2013. 02:13 nachm:

Uuups, ich habe gedacht, dass dies zu einer Webseite von Juristen gehört!?

Wenn der Eigentümer ausdrücklich erlaubt, dass die Polizei einen Zaun zerschneidet und ein Tür auframmen darf, dann liegt ganz sicherlich keine Sachbeschädigung vor.
Das dürfte sicherlich Lernstoff des 1.Semesters sein!

4/29/2013 5:26 PM  

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