Freitag, Januar 18, 2008

Wahlcomputer und Wahlrecht: Einführung

In den letzten Monaten und Jahren hat sich eine Diskussion über eine Technologie entwickelt, die angesichts ihres mehr als 45 Jahre währenden Einsatzes erstaunlich ist – es geht um Wahlgeräte und Wahlcomputer. Dabei sollen mit "Wahlgerät" diejenigen Maschinen gemeint sein, die als mechanische Stimmenzählgeräte seit der Bundestagswahl 1961 in Verwendung sind. Demgegenüber handelt es sich bei den im Gesetz als "rechnergesteuerte Wahlgeräte" bezeichneten Maschinen um Wahlcomputer.

Leider wird diese Diskussion an der großen Masse der Menschen vorbei geführt. Während die Befürworterinnen und Befürworter mantramäßig wiederholen, dass Wahlcomputer sicher vor Manipulationen seien, auch weil sie in gesicherten Umgebungen gelagert und betrieben werden, behaupten die Gegnerinnen und Gegner unter Verweis auf von ihnen entwickelte theoretische und durchgeführte praktische Angriffe deren absolute Unsicherheit. Dieser Teil der Diskussion über technische Sicherheitsrisiken wird dabei entweder unter Verwendung extrem pauschaler Behauptungen oder in einer nur für technisch Eingeweihte verständlichen Sprache geführt. Beides wirkt ausgrenzend – ersteres unterminiert sowohl das Vertrauen in den Diskurs als auch in die Diskutierenden, letzteres schließt alle technischen Laien als Mitdiskutierende aus. Ähnliche Ausschließungsmechanismen vollziehen sich in dem anderen Teil der Diskussion, der im wesentlichen vor den Gerichten ausgetragen wird. Das dort verwendete juristische Vokabular – mit seinen in einer eigenen Welt gefangenen Begrifflichkeiten – lässt die Sprechenden über die Köpfe der Zuhörenden reden. In beiden Fällen kann sich dadurch für die meisten Betroffenen am Zustand der Laienhaftigkeit auch nichts ändern – sie waren, sind und bleiben ausgeschlossen.

Wahlen konstituieren demokratische Gesellschaften und mit jeder Wahl vollzieht sich dieser Prozess neu. Demokratische Gesellschaften bestätigen sich mit der Durchführung von Wahlen selbst, sie (re)integrieren die in ihnen vertretenen verschiedenen Interessen in einem gemeinsamen politischen Raum und sie verewigen sich gerade durch die zeitliche Beschränktheit der Macht, die sie mit der Wahl übertragen. Diesen Aufgaben kann eine Wahl jedoch nur dann nachkommen, wenn ihr von den Menschen Vertrauen entgegengebracht wird. Erste Voraussetzung dafür ist, die Mechanismen der Wahl zu verstehen. Dazu zählt auch die eingesetzte Technologie. Während Wahlen auf Papierstimmzetteln für die allermeisten Menschen durchaus verständlich ist, gelten Wahlcomputer nicht ganz ohne Grund für viele als Bücher mit sieben Siegeln. Kann denn aber, wer die Frage nach der Funktionsweise nicht zu beantworten weiß, überhaupt einschätzen, ob eine Wahl tatsächlich die Wahlrechtsgrundsätze – vor allem Wahlgeheimnis, Unverfälschtheit und Öffentlichkeit – erfüllt? Kann es sich eine moderne Demokratie im 21. Jahrhundert überhaupt leisten, dass das Vertrauen in den Wahlprozess auf Unwissenheit basiert?

Vielleicht kann die mit diesem Text beginnende Reihe zum Thema Wahlcomputer und Wahlrecht nicht jede Frage in aller Tiefe beantworten. Allerdings ist das auch nicht das Hauptziel, eher sollen einzelne Punkte in der Diskussion umfassend aber allgemeinverständlich dargestellt werden. Ein Nachteil einer solchen Darstellungsweise sei jedoch nicht verschwiegen: Sowohl in der technischen als auch in der juristischen Welt gehen bestimmte Feinheiten verloren. Die in diesen Bereichen Bewanderten mögen es verzeihen, die anderen werden es vielleicht danken.

Teil 0 – Einleitung (pdf)

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