Sonntag, November 26, 2006

Kramer erstattet Anzeige gegen Knastleitung

Der langjährige Vorsitzende und Mitbegründer des Forum Justizgeschichte e.V., Dr. Helmut Kramer, hat Anzeige gegen den Anstaltsleiter der JVA Siegburg, Bernhard Lorenz , und gegen weitere Verantwortliche erstattet, die möglicherweise die Tötung eines Gefangene durch ihre Nachlässigkeit bzw. durch Leichtsinnigkeit unterstützt haben. Der ehemalige Strafrichter am OLG Braunschweig wirft der Anstaltsleitung insbesondere vor, dass sie eine für drei Personen zugelassene Zelle der Jugendstrafanstalt mit vier Personen belegt habe, wovon ein Gefangener als exessiver Gewalttäter bekannten gewesen sei.

In der Nacht zum 16. November 2006 hatten Mitgefangene einen 20jährigen Zellengenossen über 12 Stunden lang gefoltert und ihn zur Vortäuschung eines Selbstmordes mehrfach erhängt. Er hatte lediglich eine halbjährige Gefängnisstrafe wegen Diebstahls abzusitzen. Die drei Mitgefangenen saßen hingegen wegen Gewaltdelikten ein. Die Staatsanwaltschaft hatte zwar bereits zuvor ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, nachdem ein Bonner Strafrechtsprofessors Strafanzeige gestellt hatte. Da jedoch in der Anzeige keine Namen genannt wurden, war zunächst nicht gegen bestimmte Mitarbeiter der Haftanstalt ermittelt worden.

Wie Kramer gegenüber der freischüßler-Redaktion erklärte, habe er für den Fall eines Prozesses angeregt, strafmildernd anzuerkennen, dass die Beamten unter hohem Druck standen und die wahren Straftäter in den Strafvollzugsämtern zu suchen seien. Nach wiederholten Sparrunden im Justizvollzug sei es inzwischen durchaus üblich geworden, die Gefangenen an Wochenenden bis zu 21 Stunden ohne Beaufsichtigung mit ihrem Essen einzuschließen. Für erforderliche Betreuung und Überwachung fehle schon längst das Personal. So heißt es in dem Anzeigeschreiben u.a.:
"Es ist schon erwägenswert, ob eine solche üble Behandlung nicht über die massive seelische Beeinträchtigung hinaus wegen der somatischen Auswirkungen in eine Körperverletzung umschlagen kann. In jedem Fall war voraussehbar, daß diese Maßnahme mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht nur allgemein zu einer Zunahme des den Verantwortlichen - auch im Justizministerium! - bekannten Gewaltpotentials führen, sondern auch konkret Gewalttaten unter den Gefangenen nach Anzahl und Ausmaß befördern würde."
Vor diesem Hintergrund erscheine es besonders dramatisch, dass in der Förderalismusreform die Zuständigkeit für den Strafvollzug ausgerechnet an die Länder geraten sei, so Kramer.

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